Ein Manifest für Menschlichkeit: Kateryna Lysovenko im Lichthof der Universität Zürich
Was unterscheidet heutige Kriege von früheren? Vielleicht nur die Tatsache, dass sie wie ein Computerspiel betrieben werden. Die Toten sind für die Kriegstreiber nicht real, das Leiden berührt sie in ihren Bunkern nicht. Anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde die aus Kiew nach Österreich geflohene Künstlerin Kateryna Lysovenko (*1989) zu einer Präsentation im monumentalen Lichthof des Uni-Hauptgebäudes in Zürich eingeladen. Und da stehen sie nun, ihre drei aufgespannten Transparente – flankiert von den seit jeher hier hängenden Abgüssen des Pergamon-Altars und einer aufgesockelten Kopie der Nike von Samothrake.
Gegenüber dieser wuchtigen Kriegs- und Siegesrethorik wirkt die auf Papier gemalte «Propaganda for the world of my dreams» wie ein Echo auf Jahrtausende des Schlachtens. Die Malereien zeigen mit vorsichtigen Linien umrissene, in Ocker- und Rottönen schattenhaft modellierte Gestalten: Ein sich umarmendes Paar, eine Figur, die einen Toten auf die Erde bettet oder Flüchtlinge, die über einen niedergerissenen Zaun steigen. Die Menschen sind nackt, wirken verletzlich, doch die Künstlerin scheint einigen mit geschwungenen Hörnern und Bocksbeinen mythische Kräfte verleihen zu wollen – fast als ob sie die antike Götterschar zu Hilfe rufen würde.
Kateryna Lysovenko ist schon vor dem Krieg mit ihren Bildern für mehr Menschlichkeit durch die Strassen ihrer Heimat marschiert. Künstlerische Sprache nutzt sie als «Mittel der eigenen Befreiung». Ja, und solange es auch in Russland junge Leute gibt, die ihr Leben mit T-Shirts wie «Bombing for Peace is like Fucking for Virginity» riskieren, ist die Welt nicht verloren.
Kateryna Lysovenko, «ArtTransparent» (eine Kooperation des Slavischen Seminars mit dem Zentrum Künste und Kulturtheorie sowie der Abteilung für Osteuropäische Geschichte, organisiert von Tomás Glanc), Universität Zürich, Rämistrasse 71, Lichthof, bis 31.5.