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Gerhard Mack, 13.03.2023

Mehr Leichtigkeit, bitte! Was Kunst von der Mode lernen kann

Akris Defilée, März,2023. Foto: Filippo Fior

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, beim Frühlingsdéfilé der Schweizer Firma Akris dabei zu sein. Das internationale Modehaus aus St. Gallen hatte sich dafür das hippe Kulturzentrum Centquatre im Norden von Paris ausgesucht. Wo sonst sonntagmittags alle möglichen Stile getanzt werden, sollte über Mittag die Herbst-Winterkollektion vorgestellt werden. Der raue Charme der Fabrikhallenarchitektur passte zu den Entwürfen. Und die waren einfach zauberhaft. Nicht, weil Albert Kriemler es auch nach vielen Jahren noch versteht, immer aufs Neue Kleidung von raffinierter Zurückhaltung und Eleganz zu entwerfen, die im Alltag genauso Eindruck macht wie beim Abendempfang.

Angetan hatte es mir vor allem, wie er mit der eigenen Geschichte umging. Das Défilé war nach dem Herbst 2022 der zweite Teil einer Geburtstagsfeier: Die Firma gibt es nun seit hundert Jahren. Während im Herbst Entwürfe seiner Grossmutter Anregungen für eine fröhlich bunte Kollektion (sogar mit Herzchen) geliefert hatten, fand er diesmal in zufällig aufgefundenen Entwürfen seines Vaters von 1970 Inspiration. In jenen Jahren wurden Blumenmuster und Schlaghosen gefeiert. Wie schrecklich, wie amüsant das heute bisweilen auf alten Fotos wirkt.

Akris Defilé, März, 2023. Foto: Filippo Fior

Doch was machte Albert Kriemler daraus? Da kam alles vor: die samtigen Stoffe, die Schwarz-weiss-Muster, die Kuschelfelle, die Riesenkaros, die vielen Reissverschlüsse. Meine halbe Jugend zog vor meinen Augen vorbei. Doch es war alles anders. Zarte und feste Stoffe fanden ebenso zusammen wie kleine und grosse Quadratmuster. Es gab goldfarbene Hosenanzüge im typischen siebziger-Jahre Lurex und elegante Capes, bei denen man auch an wärmende Decken denken konnte. Die grossblättrigen Blumenmuster waren dunkel gehalten und liessen die Scherenschnitte von Henri Matisse anklingen. Ein Mini-Kleid traf auf Schuhe, die man auf überschwemmten Strassen tragen könnte. Alles schien mit leichter Hand gefügt und passte mühelos zusammen. So viel Freiheit ist selten

Albert Kriemler, Akris Defilé, März, 2023. Foto: Filippo Fior

Und was hat das mit Kunst zu tun, um die es in diesem Blog ja gehen soll? Etwas von der Leichtigkeit wünsche ich mir auch für Kunstwerke, die auf die jüngere Vergangenheit zurückgreifen, um sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen. Es muss ja nicht der Slogan «Kunst muss wie Fussball sein» gelten, aber etwas verspielter, persönlicher, zugänglicher, weniger theorielastig dürfte vieles schon sein. Dann wäre vielleicht auch das breitere Publikum neugieriger auf das, was es in Galerien und Museen zu bestaunen gibt, und würde entdecken, welche Anregungen es da finden kann.

In Paris hat übrigens ein anderer Modeschöpfer gerade gezeigt, wie man selbst mit einem Monument wie Picasso spielerisch umgehen kann: Paul Smith hat die Sammlung im Musée Picasso neu und inspirierend inszeniert.


Akris Défilé: Video
«Akris. Fashion. selbstverständlich», Museum für Gestaltung Zürich, 12.5. bis 24.9.
«Célébration Picasso», Kurator Paul Smith, Musée Picasso, Paris, bis 27.8.