Zwei Künstlerinnen, zwei Haltungen: Valie Export und Annelies Štrba
Vielleicht sollte man das nicht tun – künstlerische Positionen vergleichen, die nur entfernt miteinander in Kontakt stehen. Aber die Verlockung ist zu gross: Das Fotozentrum Winterthur zeigt im Fotomuseum das fotografische Werk von Valie Export (bis 29.5.), die Fotostiftung Schweiz das Werk von Annelies Štrba (bis 13.8.). Vielleicht ist das Zufall, vielleicht auch Berechnung, in jedem Fall werden durch das Nebeneinander zwei künstlerische Haltungen deutlich, die unterschiedlicher kaum sein könnten und vielleicht einen Einblick in geografische Mentalitäten geben.
Die beiden Künstlerinnen sind fast gleich alt: Valie Export wurde 1940, Annelies Štrba 1947 geboren. Sie sind also beide von der Nachkriegszeit geprägt, wenn auch einmal im Geburtsland Adolf Hitlers, das dieser 1938 Nazi-Deutschland «anschloss» und das selbst eine grosse Nähe zur NS-ideologie hatte, und einmal in der kriegsverschonten Schweiz, die sich gegen die Immigration von NS-Verfolgten wehrte und den Judenstempel in den deutschen Ausweispapieren verlangte.
Für Valie Export blieb diese Erfahrung der Diktatur und ihrer Verdrängung ein wesentliches Element ihrer Kunst. Der feministische Impuls ihrer Arbeit ist mit dieser Geschichte verknüpft. Die Unterdrückung von Frauen, das machistische Männerbild, das sie erlebte, setzte jene Vergangenheit fort. In ihren «Körperkonfigurationen» (1972-1982) nahm sie mit dem eigenen Körper an Wiener Bauten der Macht Mass, suchte sie sich sozusagen anzueignen. Dabei nahm sie den Körper und seine Leiderfahrungen ernst, nicht aber sich als Person in der Öffentlichkeit. Dieser gab sie mit der Erfindung des Namens Valie Export in Form einer Zigarettenmarke eine Rolle, hinter der das individuelle Leben zurücktrat. Ihr Aktionsraum ist die Öffentlichkeit, sie versteht sich und ihre Kunst als politisch. Mit Härte und Humor.
Wie anders Annelies Štrba! Die ausgebildete Fotografin aus dem Innerschweizer Zug stellt wie in einer Gegenbewegung gerade diese private Welt aus. Ihre Kinder, ihre Lebensumstände werden immer und immer wieder in Fotografien festgehalten und auf die verschiedenste Art überarbeitet. Auf Fotoleinwand übertragen, in Projektionen, seit geraumer Zeit noch übermalt, wird das Intime, Alltägliche variiert und gefeiert. Seit einigen Jahren in betörender Buntheit. Eine paradiesische Idylle breitet sich selbst da aus, wo die Lebensverhältnisse eng sind. Träumerisch, bisweilen in der Farbigkeit fast magisch, entfaltet sich da eine Gegenwelt, eine Zeitspalte zur politischen Realität mit ihren rasenden Veränderungen. Ein Rückzugsort, eine Feier der Familie als Kraftquelle mit bisweilen fast religiösen, madonnenhaften Anklängen. Da ist keine Aggressivität wie bei Export, eher spürt man Freude und Stolz, auch ein Anflug von Staunen, dass das Leben hier so ist. Die Innerlichkeit einer älteren Generation findet eine neue, medial aufgefrischte Form. Der Schlaf ist ein Hauptakteur auf vielen Bildern. Der grosse Erfolg dieser Arbeiten weit über die Schweiz hinaus bis nach Fernost zeigt, dass sie eine allgemeine Stimmung treffen. Ob sie mehr wollen, als auf eine Sehnsucht zu antworten, bleibt offen. Zwei Künstlerinnen, zwei unterschiedliche Haltungen gegenüber der Welt.
«VALIE EXPORT: Die Fotografien», Fotomuseum Winterthur, bis 29.5.
«Annelies Štrba: Bunt entfaltet sich mein Anderssein», Fotostiftung Schweiz, bis 13.8.