AICA Schweiz: Manifest für die Kunstkritik!
Kunstkritik, einst Stolz und Fundament des kulturellen Diskurses, verschwindet zusehends aus den öffentlichen Medien. Von der ausgedünnten und ökonomisch bedrohten Presse wurde das Feuilleton bereits mehrheitlich fallen gelassen. Und so wird, wenn die Marktlogik regiert, nur noch über Superlative im Kunstbetrieb berichtet. Umso dringlicher ist unser Appell an Stiftungen, öffentliche Ämter und staatliche Institutionen wie das Bundesamt für Kultur, endlich das zu fördern, was Kunst und Gesellschaft in unseren Augen zusammenhält: eine freie Kunstkritik! Hier einige Argumente:
Kunstkritik schafft Sichtbarkeit
Kunstkritik ist ein konstitutiver Teil der Kunstvermittlung und steht im Dienste der Öffentlichkeit.
Kunstkritik ist Engagement
Kunstkritik macht Kunst zugänglich und tritt für sie ein. Sie engagiert sich sowohl für die Werke wie für die Kunstschaffenden selbst.
Kunstkritik erzeugt Nähe
Die persönliche Wahrnehmung von Werken ist entscheidend. Darauf basiert Kunstkritik, und mit dieser Erfahrung setzt sie sich produktiv auseinander.
Kunstkritik bietet Orientierung
Kunstkritik verschafft einen Überblick über die Kunstlandschaft der Schweiz in all ihrer Vielfalt. Sie schärft das Bewusstsein für die Eigenarten der verschiedenen Landesteile und vernetzt gleichzeitig nationales mit internationalem Geschehen.
Kunstkritik ist Wertediskurs
Kunstkritik bietet einen Raum für die Aushandlung von Werten, ästhetischer wie allgemeiner Natur.
Kunstkritik bietet Ambivalenz
Offenheit ist eine Stärke des Werks wie der Kunstkritik, Ambivalenzen muss man aushalten können. Gegen die Verflachung von Debatten und die Bildung von Bubbles setzt die Kunstkritik Nuancen und Schattierungen. Interpretation ist vielfältig, und das ist gut so!
Kunstkritik beleuchtet die politische Relevanz der Kunst
Kunstkritik stellt das Kunstgeschehen in grössere ökonomische und kulturelle Zusammenhänge und zeigt die gesellschaftliche und politische Relevanz künstlerischer Arbeit auf.
Kunstkritik bietet ein kritisches Gegenüber
Kunstkritik analysiert, wie Kunst präsentiert wird und was deren Wirkung prägt. So bietet sie Kunstschaffenden und Institutionen ein kompetentes, kritisches Gegenüber.
Kunstkritik braucht neue Finanzierungsmodelle
Kunstkritik ist immer weniger Teil einer Medienökonomie. Sie ist auf Förderung angewiesen, die sowohl freie Autor:innen wie auch Fachmedien berücksichtigt. Nur so bleibt ihre Unabhängigkeit gewahrt.
Fazit
Kunstkritik ist keine Luxusdisziplin, sondern essenziell für eine lebendige Demokratie. Wenn die Kunstkritik stirbt, stirbt ein Stück unseres kollektiven Zusammenhalts. Noch aber ist Zeit, die Kunstkritik als integralen Bestandteil der kulturellen Landschaft anzuerkennen. Wer sonst als die Schweiz könnte – und sollte! – dabei eine Vorreiterrolle übernehmen? Förderung jetzt! Für eine Wiederbelebung der Kritik, die mutig, poetisch und frei ist – damit Kunst in ihrer ganzen Tiefe erfahrbar wird.